MotoClub 500

opel moto club 500

Ja, es ist wahr: Opel hat mal richtig coole Motorräder gebaut. Ihr letztes Modell überlassen uns die Jungs aus Rüsselsheim in einem schwachen Moment – wissen sie doch, dass wir damit beim Race 61 starten wollen


„Sicher, dass die läuft?“ Die Frage wird kommentarlos vom Dunkel der Nacht verschluckt. Sie war ja auch eher überflüssig. Ähnlich wie der rote Diskostrahler, der über uns auf dem grasbewachsenen Dach des Hangars glimmt. Schließlich findet die Party unüberhörbar im benachbarten Erd-Iglo statt, wo fesch gekleidete Typen auf einer breiten Bühne in 50er Jahre-Mikrofone schreien. Um den Mop vor sich stimmungsvoll ausrasten zu lassen. Klappt ganz gut, mit dem Start des 11. Race 61. Bis auf einen Teilnehmer – der lässt sich noch ein wenig feiern. Oder ist es eine Sie?

Divenhafter Start


Auch diese Frage zieht ohne Antwort davon. Überhaupt scheint es die Nacht der Enthaltsamkeit zu werden. Zumindest für uns. Denn während es im Nachbarzelt heftigst zur Sache geht, stehen hier nur die Bierflaschen – und zwar jungfräulich im Kasten. Motto: Kein Zündfunke, kein Grund zur Freude. Es war schließlich ein langer Weg, um die Opel Motoclub hierher zu bekommen.

Ganz recht, ein Opel-Motorrad. Sowas hatte die Marke mit dem Blitz auch mal im Angebot. Genau genommen war Opel sogar eine der ersten deutschen Marken, die Motorräder baute. Statistisch von 1901 bis 1930, mit einigen Unterbrechungen. In den 1920er Jahren stellte Opel nach dem Vorbild von Henry Ford auf Fließbandproduktion um. Ein kluger Schachzug, nun konnten 120 Autos pro Tag und ein Fahrrad aller vier Sekunden die Werkshalle verlassen und die Absatzkurve glich der Eiger Nordwand. Die Schattenseite? Es blieb wenig Energie für moderne Motorräder übrig.

Dass es 1928 dann doch noch für einen Leckerbissen gereicht hat, ist Grafiker und Konstrukteur Ernst Neumann-Neander zu verdanken. Er legte den Opel- Brüdern detaillierte Pläne für eine extravagantes Bike vor. Das mit Kuppeltank, Pendelgabel, gefederter Sitzschale, roten Reifen und silberner, galvanischer Beschichtung so mutig wie einfach gehalten war. Den größten Joker hatte Neander jedoch noch in der Tasche: Anstelle eines aufwändig gezogenen und geschweißten Rohrrahmens wollte er sein Baby mit vernieteten Pressstahlprofilen zusammensetzen. Und da dieser Rahmen nicht lackiert, sondern wie erwähnt dauerhaft galvanisch beschichtet werden sollte, konnte er die Produktionszeit von damals üblichen 15 bis 25 auf vier Stunden pro Bike senken.

An dem Punkt hatte er die Opel-Brüder – und der Produktion der Motoclub stand nichts mehr im Wege. Fast nichts, ein Standort (es wurde schließlich das sächsische Brand-Erbisdorf) sowie ein Motor fehlten noch. Letzterer wurde eine Opel-Konstruktion mit abnehmbarem Zylinderkopf, 86 Millimeter Hub sowie Bohrung und 500 Kubik. Zwei Leistungsstufen gab’s: 16 PS (von unten gesteuerte Ventile) sowie 22 PS (kopfgesteuerte Ventile). Besonders lange Kühlrippen sollten der Motoclub einen kühlen Kopf bewahren, eine automatisch arbeitende Ölpumpe mit Schauglas und Regulierschraube für beste Schmierung sorgen. Die Zündung? Durch einen Drehgriff von der linken Lenkstange aus verstellbar. Wenn die Kiste denn mal läuft …

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RedWings

Angeblich hat sie das vor 24 Stunden noch getan, raus aus den Opel-Garagen, wo sie mit „Bitte nicht berühren-Schild“ parkt. Und nun steht sie hier wie Blei auf dem Betonteppich des alten Flughafens nördlich von Berlin und zickt. Dabei bietet das Race 61 die perfekte Tanzfläche: Jedes Jahr versammeln sich hier Anfang Juli tausende Benzinverrückte mit ihren mindestens 30 Jahre alten zwei- und vierrädrigen Spielzeugen (that’s the rule), um auf dem Spielplatz zu toben – einer feinen Achtelmeile-Strecke. Sogar mit Sonnenschein dieses Mal.

Nach einem ausführlichen Telefonat mit dem Pfleger der Motoclub am nächsten Morgen – da nur wenige Modelle von den rund 6000 produzierten überlebt haben, will man ja nix kaputt schrauben –, wird der Vergaser gründlich gereinigt, das Zündkabel an beiden Enden frisch gekappt und eine passende Zündkerze aufgetrieben (Danke, Dave und Duke!). Wenn man weiß, wie’s geht, läuft’s! Und siehe da, nach der dritten Kerze hat das Miststück endlich Zündfunken. Nur das Antreten will nicht gelingen. Dafür hüpft sie beim Schieben im zweiten Gang an als wäre nichts gewesen. Und schmettert all die Wut über den kleinen Fehler laut hinaus. Ein dunkles, kraftvolles Knattern.

Rennbahn

Beeindruckt zeigen sich auch die Jungs bei der technischen Abnahme und garantieren einen Startplatz kurz nach der Mittagspause. Dass es dann doch erst gegen vier wird, liegt an dem Gewitter, das bei solch seltenem Bike auch noch vorbei schauen musste. Egal. Heute kann die Motoclub nichts mehr schocken.

Und so steht sie dann endlich vor der weißen Linie, hängt kräftig am Gas, nimmt den Ersten dankbar an und wartet geduldig auf die hüpfende Perle mit der schwarzweißen Flagge.
Als sie endlich abhebt, schiebt sich die Opel Motoclub nach vorn. Nicht schnell, nicht sportlich, aber dafür sehr elegant, ausreichend kraftvoll und irgendwie einzigartig. Die tiefe Sitzposition auf dem top-gefederten Sattel hält die Vibrationen des Einzylinders angenehm fern. Und auch so fühlt sich dieses 87 Jahre alte Motorrad sehr viel jünger und dynamischer an, als die meisten seiner Art. Dass es für den Wechsel in den Zweiten eine ruhige, rechte Hand braucht, verlängert zwar den Sprint – und den Vorsprung des Gegners. Aber es erhöht auch den Genuss der Fahrt. Denn genau genommen ist dieser Ritt gegen die Uhr eine Reise in die Vergangenheit. In der Opel ein ziemlich modernes Bike auf die Räder gestellt hatte, das leider durch die Ausläufer der damaligen Wirtschaftskrise ein zu schnelles Ende fand. Schade. Das Potential war enorm. Auf der Ziellinie wissen wir: Selten war ein Sprint so erholsam und erfüllend zugleich.

Erschienen im Magazin FUEL