Northern Lights

alaska biker

Wie kommt man in Alaska auf die Idee, alten Boxern neues Leben einzuhauchen? Und warum läuft einem ein Squirrel über den Helm? Das soll uns der Typ auf der Couch mal ganz in Ruhe erklären … Bühne frei für Erik, Typ Glatze, Vollbart, durchdringender Blick


Dass auf seinem lilafarbenen Jethelm ein kleiner Nager über eine angedeutete Straße flitzt, schmälert seine Coolness kein Stück. Eric ist ein harter Hund, einer, der auf einer kleinen Insel in Alaska aufwuchs, kurz nach dem Führerschein nach Japan ging, dann aus Flugzeugen und von hohen Felsen sprang. Stets auf der Suche nach Adrenalin. Ob das was mit der abseitigen Lage seines Heimatlandes zu tun hat?

alaska biker

Wir sind in Palmer, Alaska und schauen an einem sonnenreichen Tag durch ein breites Rolltor auf eine gelbe 70er Jahre Couch, auf der Erik Christensen sitzt. Weißes Shirt, blau Jeans, rotweiß karierte Vans. Längst ist er zurück im hohen Norden. Eine hübsche Frau hat er mitgebracht, sie winkt an der Tür zum Haus. Draußen werfen zwei Kids ein paar Körbe. Die Idylle wirkt nicht gespielt. Auch die Liebe zu den Bikes aus München scheint echt zu sein, wer sonst würde sich in Alaska so viele BMW-Schilder in die Werkstatt nageln. Wer überhaupt fährt in Alaska alte BMW?

Das Ding mit den Motorrädern hat bei Erik erst spät angefangen. Vor rund zwei Jahren, da lief ihm ein 74er BMW R90/6 zu. Im Serienzustand gefiel sie ihm jedoch eher weniger, daher die intensive Schönheits-Op. Mit dem Ergebnis (die junge Dame steht im Bild auf der Hebebühne) würde man nicht nur vor den Cafés in Alaska einige Blicke auf sich ziehen.
Bei dem Projekt halfen Freunde und Bekannte, alle aus der Gegend. Was Erik dazu brachte, die Marke „Northern Caféracer“ ins Leben zu rufen. Kein Laden, der Geld verdienen will. Eher eine Art Club für Gleichgesinnte, die Bock haben auf Handwerk und Qualität. Vermutlich gefallen ihm deswegen vor allem ältere Bikes aus München. Wie die 84er R80 G/S PD, die hier stilecht nur mit beschissenem Wetter konfrontiert wird. Das an ihr abperlt wie Wasser an Teflon.

Motorradfahren ist für Eric wie Yoga auf Asphalt. Im Sattel entspannt er auf dem täglichen Weg zum oder vom Versicherungsbüro, das er leitet. Das Beste an dem Job: die Leute und ihre Geschichten. Wenn sie Erik in seinem Büro besuchen, und den alten Indian Tank über dem Empfang sehen, oder sich über eins der geparkten Bikes in den Büros erfreuen, dann fangen einige seiner Kunden an, über ihre alten Motorräder zu plauschen. Machmal fällt ihnen dabei ein, dass sie noch eins haben, das sie gar nicht mehr brauchen. Und schwups, noch bevor Mittag ist, hebt man gemeinsam eine Plane hoch und schaut beispielsweise auf eine komplette R60/2, Baujahr 1952, die friedlich vor sich hin schlummert. Da kann einer wie Erik natürlich nicht widerstehen und weckt sie auf. Nach der anschließenden Zerlegung, folgte eine beeindruckend gute Restauration.

So findet Erik viele große und kleine Schmuckstücke. Wäre doch schade, wenn sie einer bekäme, der nur schnelles Geld will und die Teile einfach auf Craigslist verhökert. Bei Eric haben die Bikes ein gutes Leben, werden gepflegt und regelmäßig gefahren. Apropos, wollen wir vor dem Abendbrot eigentlich noch `ne Runde drehen?

Was für eine Frage!


Keine zehn Minuten später sitzt Erik im Sattel der R60/2 und hat den nah gelegenen Hatcher Pass im Visier. All das Grün der Natur umringt die Straße, als würde es nach der BMW greifen wollen, die mit dumpfen Beat die Serpentinenstraße nach oben wummert. Erik schenkt dem Oldi nichts, sondern erklimmt den Berg mit ordentlich Speed. Oben angekommen, lässt er den Blick langsam wandern und erzählt, wie sehr er dieses Land mag. Mit seinen kurzen, intensiven Sommern. Wo die Tage doppelt lang sind und alle durchdrehen lassen. Das gibt’s so nur im hohen Norden. Aber dazu gehören nunmal auch die Winter, die lang und zäh sein können. Dann verkriecht er sich in seiner großen Garage und tüftelt mit den Jungs an neuen Projekten oder zeigt seinen Kindern, wie sie mit einfachen Werkzeug Dinge reparieren können. Das sei wichtig, sonst könnte doch eines Tages niemand mehr solch alte BMWs pflegen.

Als der Tag bei Bier und Chips auf der Couch in der Garage ausklingt, deutet Erik auf den Helm mit dem Squirrel und erklärt, dass die winzigen Nager hier überall am Straßenrand stehen und todesmutig über den Asphalt flitzen. Vermutlich wegen dem Kick nach Adrenalin. Das mag er.

Erschienen im Magazin Fuel