Motorliebe going elektrisch?

RG Nathalie mit Brennstoffzelle

Roland Gumpert ist Erfinder des nie gebauten Audi-Motorrades Z02 und Entwickler des Audi-Allradantriebs. Er konstruierte Apollo, eines der absurdesten und schnellsten Automobile und ist Vordenker für Extremes. Mit RG Nathalie zeigt er nun seinen 420.000 Euro teuren Elektro-Supersportler. Und Motorliebe war dabei – obwohl nix brummt und riecht.


Nathalie ist schön. Schön einfach, schön schlicht, schön schön eben. Und Nathalie wird sicherlich auch schön sein, wenn sie sich über die Straße duckt und leise durch die Mega-Cities der Erde summt. Wir sind einige Wochen vor der offiziellen Weltpremiere am Start, als Roland Gumpert und sein neuestes Projekt zeigt. Der dunkle Ort will nicht so ganz zur Geburt einer neuen Automarke passen. Denn diese besitzt einen revolutionären Antrieb besitzt – komplett ohne Benzin 🙁

Ende der 1960er-Jahre begann Roland Gumperts Karriere bei Audi in Ingolstadt als Entwickler, Tester, Tüftler. Das Audi-Motorrad Z02 versuchte er vergeblich zu verwirklichen. Die Chefs hatten kein Gespür für Zweiräder. Auch heute nicht. Oder hätte Audi sonst wirklich Ducati gekauft? Mehr Erfolg hatte Gumpert mit der Entwicklung des ersten Allradantriebs im Volkswagen-Konzern. Der zuschaltbare 4×4 des VW Iltis war sein Werk und wurde zum Erfolg. Audi gewann mit einer Weiterentwicklung dessen unter anderem vier Rallye-Weltmeistertitel – mit Gumpert als Rennleiter von Audi Sport. Der Quattro getaufte Allrad wurde zu einer Marke und ist nach wie vor top (solange es keine Haldex-Technik beinhaltet).

Ende der 1980er-Jahre startete Gumpert in China und wurde 1999 in den Vertriebs- und Marketingvorstand von VW-Audi Joint Venture China berufen. 2004 verließ er die Audi AG und entwickelte auf eigene Faust Apollo. Ein grotesker, bis zu 850 PS starker Rennwagen mit Straßenzulassung. Jahrelang war Apollo der Blitz auf der Nordschleife. Oder anders: dort schnellstes Fahrzeug mit Kennzeichen. 2014 meldete Gumpert Insolvenz an. Da war er bereits 70. Ruhestand ist aber keine Option. Er ist nimmermüde und hat zudem exzellente Kontakte nach China. Da, wo das Geld wohnt.

RG Nathalie Brennstoffzelle

Supersportwagen mit vier Motoren

Nathalie heisst seine älteste Tochter und sein jüngstes Baby zugleich. Das Neugeborene soll noch 2018 bestellbar sein und ein Jahr später in Kundenbesitz übergehen. Gumpert Aiways Automobile GmbH nennt sich die Firma mit sitzt in Ingolstadt und Shanghai, RG heisst die neue Marke. Während seiner China-Zeit hat er sich China-Freunde gemacht. Und die sind mittlerweile auch gewachsen – zumindest finanziell und erfahrungstechnisch. Fu Qiang, CEO des erst 2017 gegründeten Start-Ups Aiways war Volvo-Vertriebschef in China. Zusammen mit Gu Feng, ehemals CFO von SAIC (2017 größter chinesischer und acht-größter Fahrzeughersteller weltweit) stellen sie das Führungstrio. Vertriebler, Finanzer und Techniker, beste Voraussetzungen. Gumpert möchte den europäischen Markt ins Visier nehmen. Für China sind acht Elektro-Autos geplant, die das Volk bewegen sollen.

RG Nathalie von hinten

Nathalie ist ein Supersportler von Roland Gumpert

Das Besondere an Nathalie (und einigen Aiways-Modellen für China) versteckt sich im Bug- und Heck-Kofferraum des Supersportlers. Reformer, Brennstoffzelle und Kraftstoff-Tank sind die Hauptbestandteile. Das Methanol-Wasser-Gemisch (Verhältnis 60:40) wird in ein wasserstoffreiches Gas umgewandelt. und produziert Strom für den 400-Kilogramm-Akku, der sich T-förmig im Fahrzeugboden befindet. Abgefahren? Definitiv. Aber kein Unsinn. Nissan kündigte 2016 an ein ähnliches Brennstoffzellenauto auf den Markt bringen zu wollen. Mit weniger Leistung. Bei den Japanern durchläuft ein Ethanol-Gemisch den Reformer und die Brennstoffzelle wandelt es in elektrische Energie um. Diese speist die Batterie und schmeisst den E-Motor an.

Gitterrohr und Karbon


Die seit Jahren eingesetzte Technik kommt bei Gumpert Aiways vom dänischen Unternehmen Serenergy. Die nutzen Brennstoffzellen-Technik, um unwirtliche Regionen mit Strom zu versorgen. Der Strom wird bei Serenergy stets aus Methanol erzeugt. Mit einem 60 Liter-Methanol-Tank soll Nathalies Reichweite rund 800 Kilometer betragen – und dabei 30 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. Die 1.600 Kilogramm dicke Karbon-Gitterrohrrahmen-Nathalie kann aber auch 300 km/h schnell rennen oder in 2,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 hüpfen. Möglich machen das vier E-Motoren mit je 150 kW. Jedes Rad bekommt einen Motor, der achsmittig montiert ist. Radnabenmotoren sind nämlich oldschool. Und das passt nicht zu Hightech.

Das Interieur ist reduziert auf das Wesentliche

Das atemberaubend schlichte Design zeichnete übrigens Lorenz Löw, der erst 2012 sein Studium beendete, mittlerweile aber einer der Köpfe von Ideenion ist. Wie gut der Prototyp zudem gefertigt ist, merkt man beim Einsteigen in den 4,31 Meter kompakten E-Renner. Handschmeichelndes Filz ziert das Armaturenbrett, viel Leder und Aluminum den Rest. Schalensitze passen sich schlanken Körpern an und unterstreichen den hohen Anspruch des sehr wahrscheinlich 420.000 Euro teuren Supersportlers Made in Bavaria. Dort nämlich soll die Produktion starten.

Roland Gumpert ist ein cooler Hund

Ist doch wurscht ob Super Plus oder Methanol


Vielleicht ist die Methanol-Brennstoffzelle eine weitere Option, um dem Thema E-Mobilität mehr Nachdruck und mehr Möglichkeiten zu geben. Zu wünschen wäre es, denn die Wasserstoff-Technik, die seit 20 Jahren vor sich hin dümpelt, kommt nicht aus dem seichtesten Fahrwasser raus. Wer möchte, kann Nathalie übrigens auch mit Ökostrom aus einer 350-KW-CCS-Ladesäule befüllen. Aber ganz ehrlich: Warum sollte man noch Stromtanken, wenn der Methanol-Tank in drei Minuten voll ist? Und das schöne, für alle mit Benzin im Blut: Nathalie hat einen Flüssigkeitstank und soll an der Tanke auffüllbar sein. Und ob man nun Methanol oder Super Plus reinkippt, merkt man selbst ja nicht. Wenn dann noch der Sound adaptiert wird und nicht so lächerlich klingt, wie bei den meisten AMG-Modellen, ist alles gut. Motorliebe is going elektrisch – manchmal.

So gehört Cockpit: minimal